Ölmalerei Level 3 | Eine Geisha malen, Teil 1
1. Das Bild übertragen
Wenn Du Dein Foto gewählt hast, dann drucke es Dir in Schwarzweiß aus. Am besten A3 oder größer, damit Du auch kleinere Details gut erkennen kannst.
Übertrage das Foto auf Deine Leinwand - freihand, mit einem Projektor oder per Raster (falls Du die Raster-Methode wählst: zeichne das Raster mit einem Aquarell-Buntstift. Dann wäscht es sich weg beim späteren Übermalen.)
Ich empfehle Dir das Format 80 x 100 (oder sogar noch größer), damit Du dich gut auf jedes Detail konzentrieren kannst. Wählst Du ein kleineres Format, dann kannst Du leichter Details, die Dir nicht gut von der Hand gehen, wegschummeln.
Aber schließlich wollen wir ein realistisches Porträt malen und uns nicht selbst ein bisschen betrügen.
Als erstes mischst Du dir verschiedene Grautöne. 5 wie auf der Palette nebenan reichen für den Beginn.
Ich selbst verwende für meine Grisaille Kasslerbraun von der Firma Williamsburg. Das ist das einzige mir bekannte dunkle Braun, mit dem man relativ deckend arbeiten kann und das vor allem beim Mischen mit Titanweiß keinen Braunton ergibt, sondern ein warmes Grau.
Falls Du diese Farbe nicht kaufen möchtest, weil sie vielleicht zu teuer ist: auch gut. Mische Dir in dem Fall ein chromatisches Schwarz. ( Hier findest Du das Rezept.)
Dieses chromatische Schwarz ist dann Dein dunkelster Farbton, den Du mit Titanweiß mehr und mehr aufhellen kannst.
Ich beginne meine Untermalung mit einem mittleren Grauton. Das hat einen simplen Grund: Einen mittleren Farbton kann man gut modulieren. Also nach Bedarf abdunkeln. Oder aufhellen.
Schatten und Lichter werden - wenn es möglich ist - bereits in dieser Phase angelegt. Wahrscheinlich klappen die Tonwerte nicht ganz, aber das kann später noch immer korrigieren.
Im Moment dienen uns Licht und Schatten eher zur Orientierung.
Beim ersten Farbauftrag auf eine Leinwand entstehen in den meisten Fällen unschöne Farbübergänge und Strukturen. Das ist normal.
Für unser Porträt sind diese eher störend. Deshalb versuche ich die Farben schon von Beginn an so gut zu verblenden, so gut es im Moment eben geht.
Porträts oder auch andere Themen kann man auf zweierlei Weise malen: Man macht eine komplette Untermalung, und danach beginnt man mit den Lasuren und den Korrekturen.
Ich mache das anders. Bei großen Formaten und ganz besonders bei Porträts untermale ich jeden Tag nur ein oder zwei Teilstücke. Den Rest meiner Atelierzeit verbringe ich mit den Korrekturen und dem Anlegen der richtigen Tonwerte und Lasuren von den bereits gemalten Teilen.
Auf diese Weise sieht mein Porträt in jeder Arbeitsphase gut aus und kann ich jeden Tag mit Freude ans Werk gehen.
Wenn man ein achtzig mal einhundert Zentimeter großes Bild vor sich hat, in dem jeder Quadratzentimeter eine Baustelle ist, dann kann das sehr demotivierend wirken.
Meine Empfehlung:
Sorge dafür, dass Dein Bild in jeder Arbeitsphase gut aussieht und Dich zum Weiterarbeiten motiviert.
Mit wie vielen Farbschichten Du dein Porträt übermalen mussy, lässt sich nicht präzise vorhersagen. An manchen Stellen reichen vielleicht 2 Übermalungen, an anderen brauchst Du möglicherweise 10.
Mit jeder neuen Farbschicht wird das Gesicht und die Haut feiner. Ein Effekt, den man niemals erreicht, wenn man nur mit einer einzigen, dicken Farbschicht und zu dicken Pinseln arbeitet.
Es geht bei realisischer Malerei nicht darum, ein Bild schnell! schnell! schnell! fertig zu kriegen, sondern es geht um Qualität. Verliebe Dich ein wenig in den Entstehungs- und Malprozess.
Falls Du Mühe damit hast, die richtigen Grauwerte zu erkennen, dann probiere mal einen Tonwertfinder. Mische alle Grauwerte, die auf dem Tonwertfinder zu sehen sind. Und wann immer SDu dir im Unklaren über die Wertigkeit eines Graus bist, dann halte den Tonwertfinder gegen Dein Referenzfoto, und schon weisst Du, welches Grau Du nun verwenden musst.
Für den nächsten Arbeitsgang muss der Untergrund ganz getrocknet sein. Solange die Farbe noch klebt oder nur oberflächentrocken ist, ruinierst Du Deine Untermalung, wenn Du zu ungeduldig bist.
Träufle etwas Malmittel auf ein weiches Tuch. Damit reibst Du den Hintergrund einmal komplett ein. Der gesamte Hintergund muss von einem feinen Ölfilm bedeckt sein.
Danach übermalst Du den Hintergrund nochmals komplett mit den gleichen Farben vom Vortag. Also mit Paynesgrau und einer Mischung aus Titanweiß und Paynesgrau. Wenn die Mischung etwas andere Tonwerte hat: kein Problem.
Nimm danach ein sauberes, weiches Tuch, knülle es zusammen auf die Größe einer Kartoffel und reibe in sanften, kreisförmigen Bewegungen die frisch gemalte Farbe ineinander. Drücke nicht zu fest auf, denn sonst wischst Du die frische Farbe einfach wieder weg.
Vielleicht übst Du erst mal ein wenig auf einer alten Leinwand.
Wenn Du alles richtig gemacht hast, dann sollte Ihr Hintergrund nun einen etwas nebeligen Effekt haben, und der helle Bereich des Hintergunds gut mit dem dunklen Teil verblendet sein.
Sollte Dir dieser Teil des Bildes nicht gelingen, kannst Du immer noch auf altbewährte Blendtechniken zurückgreifen. Einen Artikel dazu findest Du HIER.
Sobald Dein Porträt anatomisch korrekt ist, kannst Du bereits mit den ersten Lasuren beginnen. Auch wenn die Untermalung noch nicht abgeschlossen ist.
Lasur bedeutet hier stets: die neue Schicht Farbe muss transparent sein. Nach dem Auftragen muss diese Schicht trocknen, bevor sie sie neu übermalen können.
Auf diese Weise erzielt man feinste Abstufungen in den Grauwerten, die dem Bild viel mehr Tiefe geben.
Den Kimono untermale ich im Moment sehr grob. Die Blümchen auf dem Stoff spare ich aus. Das heißt, ich lasse dort einfach die weiße Leinwand stehen. Sie werden ganz zuletzt gemalt.
Nicht in der Phase der Untermalung, sondern später, wenn der Kimono die richtige Farbe erhalten hat.
Würde man die Blumen jetzt zu diesem Zeitpunkt malen, dann wäre das doppelte Arbeit. Beim Untermalen und späteren Übermalen kommt man hier und da zwangsläufig über die Konturen. Das Ergebnis: weg ist die Blume, und dann muss man sie erneut malen.
Als nächstes versuche ich, den Haaren etwas mehr Form und Farbe zu geben. Dadurch sieht mein Porträt gleich etwas kompletter aus.
Auch nun achte ich wieder auf die Wuchsrichtung des Haars. Das Haar male ich wiederum mit reinem Kasslerbraun. Und die groben Highlights mit einer Mischung aus Kasslerbraun und Titanweiß.
Nun ist auch wieder Zeit für die nächsten Lasuren auf dem Gesicht. Es hat noch längst nicht die Textur und die Weichheit, die es haben soll.
Bevor Du allerdings mit den Lasuren beginnst, musst Du prüfen, ob Dein Untergrund an der betreffenden Stelle bereits getrocknet ist. Wenn nicht, musst Du leider noch warten. Lasuren malen kann man nur auf trocknenem Untergrund.
Den Haaransatz heben wir uns auf für die Zeit der farbigen Übermalung. Im Moment aber legen wir dafür die Basis an.
Was wir brauchen: einen weichen Farbübergang vom Haar in die Stirn. Dazu malen wir einfach einen Streifen aus reinem Kasslerbraun an die Stellen, an denen das Haar in die Stirn übergeht und vertreiben die Farbe mit einem weichen Lasurpinsel in beide Flächen.
An dieser Stelle lege ich nun auch schon grobe Details der Augen an. Denn bis jetzt sind meine Augen einfach dunkle Flecke und völlig leblos.
Ich male hier auch schon mal die Augenbrauen, damit mein Gesicht etwas kompletter aussieht. Wir werden diesen Arbeitsschritt in der späteren Übermalung wiederholen müssen, weil bis dahin von den Augenbrauen nicht mehr viel übrig sein wird. Im Moment aber helfen mir die Augenbrauen, das Gesicht meiner Geisha etwas präziser zu sehen.
In dem nächsten Film werden wir die Untermalung abschließen. Also das Auftragen der ersten Farbschicht.
Wir werden ein paar Lasuren anbringen, die bis zum nächsten Tag wieder trocknen können. Und außerdem malen wir erste Details an den Augen.
Kimono:
Denke beim Lasieren des Kimonos daran, dass er aus Seide besteht. Versuche bitte, den subtilen Glanz des Stoffes bereits jetzt in diesem Stadium des Bildes wiederzugeben.
Augen:
Wenn die Augen bereits die richtige Form haben und nicht mehr korrigiert werden müssen, dann kann man bereits erste Details anbringen. Ich lege hier mit feinen Pünktchen schon ein wenig die Struktur der Haut an. Und auch die endgültige Form der Augenlider.
Nicht zu vergessen: die Wimpern. Menschen asiatischer Abstammung haben meist eine etwas andere Wimpernform als ein Mensch europäischer Abstammung.
Während die Wimpern bei einem Europäer eher gebogen oder geschwungen sind, sind die Wimpern bei asiatischen Menschen meistens gerade. Anatomische Besonderheit, aber wichtig für unser Bild.
Ein weiteres Detail, was bereits in der Untermalung angelegt wird, ist die Struktur der Haare. Für den Moment beschränken wir uns allein auf die Highlights.
Dafür mische ich mir ein helles Grau aus Kasslerbraun und Titanweiß.
Mische Dir auch ein paar Tropfen Liquin unter Deine Farbe, damit sie besser fließen kann. Und damit Du auch wirklich feine Linien malen kannst.
Wenn Die hier und da eine Linie zu dick gerät, dann nimm einen feinen Pinsel, tauche ihn in Dein Terpentinöl und wasche die dicke Linie einfach weg. Du kannst mit dem Terpentinpinsel die Farbe auch auf Deiner Leinwand verschieben.
Der Vorteil an einem so großen Bild ist, dass man es nicht wegstellen und trocknen lassen muss. Denn wenn Teile des Bildes trocknen müssen, dann malt man einfach irgendwo anders weiter.
So zum Beispiel am Haarschmuck.
Und es ist auch an der Zeit für einige kosmetische Korrekturen.
Die Ohren meines Modells stehen sehr hoch am Kopf. Eine kleine anatomische Besonderheit. Wenn man nicht gerade ein Porträt im Auftrag malt, dann sollte man solche Abweichungen stets korrigieren. Bei den allermeisten Menschen enden die Ohren auf der gleichen Achse wie die Unterseite der Nase.
Der Mund
Die Struktur der Lippen sieht bei jedem Menschen anders aus.
Um die Struktur der Lippen Ihres Modells gut zu erkennen, solltest Du dir den Mund in Photoshop oder auf Deinem Smartphone in Vergrößerung gut anschauen. Auf einem kleinen, herkömmlichen Foto erkennt man keine Details.
Du musst Dich nicht sklavisch an Deine Fotovorlage halten - dass Deine Struktur ein wenig anders aussieht als bei Deinem Modell weißt nur Du allein. Denn allein Du kennst das Foto, nach dem Du gearbeitet hast.
Achte aber darauf, dass die Struktur plausibel aussieht, also glaubhaft.
Nun noch die letzten Details und Feinarbeiten.
Damit ist die Untermalung abgeschlossen. Kontrollieren Sie am Ende nochmals Ihre Tonwerte.
Bevor Sie mit dem Übermalen beginnen, lassen Sie Ihr Bild ca. eine Woche gut trocknen.
Im nächsten Kapitel übermalen wir die Grisaille mit Farbe.
Ölmalerei Level 3 | Eine Geisha malen, Teil 1
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